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Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.
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Das sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.
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Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluss hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
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Georg Trakl (1887-1914)
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Fülle
Genug ist nicht genug! Gepriesen werde
Der Herbst! Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte!
Tief beugt sich mancher allzu reich beschwerte,
Der Apfel fällt mit dumpfen Laut zur Erde.
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Genug ist nicht genug! Es lacht im Laube!
Der saftige Pfirsich winkt dem durstigen Munde!
Die trinknen Wespen summen in die Runde:.
"Genug ist nicht genug!" um eine Traube.
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Genug ist nicht genug! Mit vollen Zügen
Schlüft Dichtergeist am Born des Genusses,
das Herz, auch es bedarf des Überflusses,
Genug kann nie und nimmermehr genügen!
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Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)
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